Die Todesfahrt der Düsseldorfer Pfadfinder

Sonnenwendfeier in der „Piratenhöhle“
Drei Pfadfinder unter einem Steinblock begraben

Im Liedberger Labyrinth

Liedberg (Kreis Grevenbroich-Neuß). Zu dem tragischen Unglück der Düsseldorfer Pfandfinder erfahren wir, daß die Gruppe junger Leute sich als ihren Führer den verunglückten Technikerlehrling Albert Voigt gewählt hatte. In einer Jugendzeitschrift hatten sie von unterirdischen Gängen beim Schloß Liedberg gelesen. Ein Seitenweg hat im Volksmund den Namen „Piratensaal“ erhalten. Am Samstagabend, bald nach ihrer Ankunft in Liedberg, hatten die jungen Leute schon versucht, in die Grube zu gelangen, wo in einer kleinen Feier einige neue Mitglieder auf die Vereinssatzung verpflichtet werden sollten. Sie veranstalteten zuerst die Sonnenwendfeier. Später zogen sie wieder zum Grubeneingang und legten ihn frei. Er hat die Größe einer Fuchsröhre.

Sie mussten zuerst etwa 300 Meter kriechen, dann konnten sie aufrecht gehen. Ein breiter Gang führte ungefähr 700 Meter weiter, wo sich seitwärts ein sechs bis sieben Meter langer Gang, der „Piratensaal“ befindet. An dieser Stelle feierten sie die Sonnenwende. Fünf der jungen Leute gruben eine Urkunde über diesen Vorgang in eine Seitenwand ein, während ihre Kameraden abseits standen. Aus einer Seitenwand wurden etwa zwei Eimer Sand herausgeholt und in den Schacht das Dokument hineingelegt. Um den Kleinen Schacht wieder anzufüllen, stießen die jungen Leute etwa einen Meter davon entfernt unten den Sandmassen fort. Plötzlich löste sich ein zwei Kubikmeter großer Steinblock und begrub drei Pfadfinder unter sich. Ein vierter geriet mit den Füßen darunter. Er konnte sich wieder mit eigener Kraft befreien. Dagegen wurde ein fünfter, der bis zu den Knien unter den Block geraten war, von einigen Kameraden herausgezogen. Das Unglück wirkte erschütternd auf die jungen ein, die deutlich das Todesstöhnen ihrer Kameraden hörten. Die Leiche des jüngsten Mitgliedes konnte nach zweistündiger Arbeit der Liedberger Freiwilligen Feuerwehr geborgen werden. Trotz wiederholter Versuche gelang die Bergung der anderen Leichen nicht.

Von einem Mitglied der Wandergruppe „Drei Musketiere“ erhalten wir über die Unglücksstelle folgende Schilderung:

Das alte Liedberger Schloß mit seinen Obstgärten und seinem unterirdischen Labyrinth war schon oft unser Fahrtenziel. Ein gerade kniehohes Loch lässt die Unergründlichkeit dieser Höhle nicht ahnen. 100 Meter kriechen wir auf dem Bauch und plötzlich erweitert sich die Höhle. Ein weiter Dom tut sich vor den Augen auf, der bei Pechfackelbeleuchtung bizarre Formen annimmt. Wir nannten ihn die Schmachhöhle, jagte doch eine armselige Fledermaus elf kühnen Eindringlingen einen solchen Schrecken ein, dass sie “ o Schmach “ wie Zinnsoldaten umfielen. Immer weiter kommen wir, teils kriechen, teils aufrecht gehend, durch übermannshohe „Säle und Dome“. Jedem Ort haben wir einen Namen gegeben: wie Piratenhöhle, Thinghöhle, Schlafsaal, Wüste Gobi, Totenkeller, Rittersaal, Osteria usw.

Oft kroch ich durch den „Bauchwalzer“, einen Gang von Körperbreite, der in das Einsturzgebiet mündet. Hier war es schon lange nicht mehr geheuer. Dreiundzwanzigmal bin ich an diese Stelle gekrochen, und jedes Mal fand ich ein anderes Bild. Alte Gänge waren verschüttet, neue hatten sich gebildet. Bodensenkungen von mehreren Metern, die sich bis zur Erdoberfläche bemerkbar machten, hatten gerade in letzter Zeit stattgefunden.

Sagen und Gerüchte sind von dieser Höhle im Umlauf. Heute ist man sich noch immer nicht über die Entstehung dieser Höhlen klar. Man kann annehmen, dass sie von einem unterirdischen Flusse gebildet worden sind, der mit der Zeit versiegte. Die Ritter von Liedberg stellten sich eine Verbindung mit diesen Katakomben her, und es ist eine geschichtliche Tatsache, dass im Mittelalter bei Belagerung des Fleckens Liedberg der unterirdische Gang der Besatzung die Flucht ermöglichte.

Quelle: Vermutlich zeitgenössicher Zeitungsbericht

Archiv des DPSG Stammes Scheuburg

Mit herzlichen Dank an Heinz Nieveler aus Jüchen für die technische Bearbeitung und das Digitalisieren der historischen Dokumente!

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